ALBUM REVIEW | MOETLEY CRUE

MÖTLEY CRÜE – Mötley Crüe (1994)

TEXT: RITCHIE NEWTON

 

Nachdem Vince Neil nicht mehr in der Band war, muss ich ganz ehrlich sagen:
Für mich war’s das.
Ich war durch und durch Crüe-Fan – ich liebte die abgefahrenen Videos, die dekadenten Shows, die ganze Attitüde. Zugegeben: Vince war nie der „Übersänger“, aber seine Stimme war der Soundtrack zu meinen wildesten Jahren. "Shout at the Devil", "Wild Side", "Dr. Feelgood" – das waren Hymnen einer Ära, meiner Jugend.

Doch dann kam dieser Schock: Neuer Sänger. Neuer Sound. Neues Album.
Und was soll ich sagen?

Mir klappte die Kinnlade runter!

Was ich da hörte, war kein weiteres Party-Glam-Gedöns.
Das war schwere, ehrliche, dreckige Rockmusik, gespielt von einer Band, die sich neu erfand – und plötzlich so verdammt ernstzunehmend klang wie nie zuvor.
John Corabi hatte nicht nur eine Stimme, er hatte Röhre, Druck, Gefühl und Feuer – und er machte aus Mötley Crüe über Nacht eine echte Heavy Metal Band. Keine Lippenstift-Glamboys mehr, sondern Kraftwerk mit Seele.

Und ja – ich weiß, es hat sich schlecht verkauft. Es war die Grunge-Zeit. Die Medien machten die Band runter. Viele Hardcore-Fans wollten Vince zurück – und bekamen später mit Generation Swine das vielleicht schlimmste Album der Bandgeschichte serviert. Aber das ist Geschmackssache.

Für mich jedenfalls ist das selbstbetitelte 1994er Album von Mötley Crüe ein Monster, ein absoluter Gamechanger, ein Werk, das viel zu wenig Anerkennung bekommen hat.


Deutsche CD-Tracklist:

  1. Power to the Music

  2. Uncle Jack

  3. Hooligan’s Holiday

  4. Misunderstood

  5. Loveshine

  6. Poison Apples

  7. Hammered

  8. Til Death Do Us Part

  9. Welcome to the Numb

  10. Smoke the Sky

  11. Droppin’ Like Flies

  12. Driftaway


Track-by-Track-Feuerwerk

1. Power to the Music

Ein Eröffnungsriff wie ein Tritt in den Magen. Groove, Energie, pure Rockmacht. Corabi zeigt sofort, dass er gekommen ist, um abzureißen – nicht zu gefallen.

2. Uncle Jack

Thematisch harter Tobak – Kindesmissbrauch. Der Text geht unter die Haut, musikalisch ist der Song düster und beklemmend. Ein mutiger Track, der zeigt, wie ernst es die Band jetzt meinte.

3. Hooligan’s Holiday

Die Single! Grooviger Industrial-Rocker mit Ohrwurm-Refrain. Ein Song, der heute noch wie ein Schlag ins Gesicht wirkt. Mars brennt ein Riff-Feuerwerk ab, Tommy Lee groovt wie ein Uhrwerk. Absoluter Hit.

4. Misunderstood

Ballade? Ja. Aber weit weg von Kitsch. Melancholie, Größe, Pathos – das alles in einem Song, der sich zu einem epischen Monster entwickelt. Corabi singt sich die Seele aus dem Leib.

5. Loveshine

Kurz, psychedelisch und beatlesk. Der wohl friedlichste Moment auf dem Album. Gibt Luft zum Atmen – bevor der nächste Sturm kommt.

6. Poison Apples

Eine Hommage an den Rock’n’Roll der 70er – mit Dreck, Stil und Attitüde. Klassisch, groovy, rotzig. Hätte auch von Aerosmith sein können – nur eben böser.

7. Hammered

Langsam, bedrohlich, brutal. Der Name ist Programm. Eine Wand aus Sound trifft auf Corabis brutale Intensität. Düsterer geht kaum.

8. Til Death Do Us Part

Ein Song wie ein zäher Alptraum. Schwerfällig, melancholisch, hypnotisch. Der Schmerz ist greifbar, der Sound unerbittlich. Nichts für nebenbei.

9. Welcome to the Numb

Hier trifft Nine Inch Nails auf Crüe. Kalter Groove, Industrial-Feeling, klaustrophobisch – aber genial produziert. Bob Rock liefert hier ab!

10. Smoke the Sky

Thrash! Speed! Abriss! Der härteste Song der Platte. Ein brutaler Nackenschlag – kein Glam, kein Rock’n’Roll – nur purer Zorn.

11. Droppin’ Like Flies

Kritisch, sarkastisch, bissig. Der Refrain brennt sich sofort ins Hirn, die Strophen gehen ans Eingemachte. Corabi zeigt hier seine volle Bandbreite.

12. Driftaway

Ein stiller, fast zerbrechlicher Abschluss. Akustisch, getragen, emotional. Ein Song zum Durchatmen – nach einem Sturm aus Gitarren, Dreck und Leidenschaft.


Besetzung:

  • John Corabi – Vocals & Rhythmusgitarre

  • Mick Mars – Leadgitarre

  • Nikki Sixx – Bass

  • Tommy Lee – Drums

Produktion:

  • Bob Rock (Metallica, Bon Jovi, The Cult) – eine druckvolle, detailverliebte Produktion mit dem richtigen Maß an Dreck und Bombast.


FAZIT:

Für mich ist dieses Album ein Meilenstein, den viele nicht verstanden haben – oder nicht verstehen wollten.
John Corabi hat der Band Tiefe und musikalische Klasse verliehen.
Was zurückkam, war kommerziell schwächer, aber musikalisch auf einem anderen Level.


 

Jetzt seid ihr dran!
Was meint ihr – ist das 1994er Album das beste Werk von Mötley Crüe oder war das ein Irrweg?
Kommentiert, diskutiert, analysiert – wie immer hier bei HARD 'N' HEAVY MEMORIES!

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