
CINDERELLA– Long Cold Winter (1988)
Text © Ritchie Newton
Label: Mercury Records
Produzent: Andy Johns
Lila-Logo, weiße Hülle – und ein Orkan auf dem Plattenteller!
Don’t judge the book by its cover – dieser abgedroschene Spruch bekam für mich eine ganz neue Bedeutung, als ich zum ersten Mal die Vinyl-Version von Long Cold Winter in den Händen hielt. Ich erinnere mich noch ganz genau: weißes Cover, keine Grafik, keine Dämonen, keine Drachen, keine apokalyptische Szene – einfach nur das verschnörkelte, edle Cinderella-Logo in lila-pink auf weißem Grund. Für einen jungen Metalhead wie mich, der mit Holy Diver, Killers und Shout at the Devil aufgewachsen war, war das Cover fast schon eine optische Beleidigung.
Doch was dann aus den Lautsprechern kam, haute mich völlig aus den Socken!
Tom Keifer – der singende Straßenköter mit Herz
Ich stand damals – wie man unschwer an meinen bisherigen Album-Reviews erkennen kann – auf gute Sänger mit Charakter und Gefühl. Und Tom Keifer war genau mein Fall: rau, bluesig, dreckig – aber mit einer unglaublichen Emotionalität in der Stimme. Klar, ich musste oft an Brian Johnson denken, aber Cinderella klangen eben nicht wie eine AC/DC -Kopie. Sie hatten ihren ganz eigenen Stil: eine Mischung aus Hardrock, Blues, Glam und einer Prise Southern Rock, die so nur wenige Bands drauf hatten.
Tracklist:
Seite A:
1. Bad Seamstress Blues / Fallin' Apart at the Seams – Dieser Opener ist ein Statement. Erst akustisch, bluesig und dann bricht ein Donner los, der zeigt: Cinderella sind gekommen, um zu rocken.
2. Gypsy Road – Der Hit schlechthin! Dieser Song riecht nach Benzin, Highway, Lederjacke und staubiger Freiheit.
3. Don't Know What You Got (Till It's Gone) – Diese Ballade hat Weltniveau. Schmerz, Sehnsucht, große Melodie – alles da.
4. The Last Mile – Eingängiger Midtempo-Rocker mit Drive und Tiefgang. Einer meiner geheimen Favoriten des Albums.
5. Second Wind – Voller Energie, mit einem Refrain, der sich sofort im Hirn festsetzt. Kein Skip-Track!
Seite B:
6. Long Cold Winter – Düster, bluesgetränkt und atmosphärisch. Der Titelsong bringt das Feeling des Albums auf den Punkt: einsam, kalt, ehrlich.
7. If You Don't Like It – Rotzig, frech und mit dem Mittelfinger Richtung Musikpresse. Rock’n’Roll-Attitüde pur.
8. Coming Home – Noch eine Power-Ballade mit Herz. Der Song erzählt vom rastlosen Leben auf Tour – und vom Wunsch nach Wärme.
9. Fire and Ice – Grooviger, dichter Sound. Hier brennt das Feuer unter dem Eis, wenn man so will.
10. Take Me Back – Zum Schluss nochmal richtig Fahrt aufnehmen. Rockig, schnell, kompromisslos.
Besetzung:
Tom Keifer – Lead Vocals, Gitarre, Piano, Slide-Guitar
Jeff Labar (†) – Gitarre
Eric Brittingham – Bass
Fred Coury – Drums (teilweise ersetzt durch Studiogrößen wie Cozy Powell, Denny Carmassi)
Produziert wurde das Ganze von Andy Johns, der u. a. schon mit Led Zeppelin und den Rolling Stones im Studio war. Der Sound hat Dreck, Tiefe und Klasse – genau das, was diese Songs brauchen.
Mein persönliches Fazit:
Long Cold Winter ist ein Meilenstein des späten 80er-Hardrocks. Cinderella war keine typische Glam-Band, keine Schminkspiegel-Combo mit Haarspray-Attitüde. Sie waren ehrlicher, bluesiger und musikalisch reifer als viele ihrer Zeitgenossen. Und Tom Keifer sang, als würde er seine Seele aus dem Leib kotzen – aber stilvoll.
Dieses Album kam bei mir überraschend durch die Hintertür, hat sich aber dann in mein Herz gebrannt. Es war der Beweis, dass echte Klasse nicht immer auf dem Cover prangen muss – sondern auf der Platte liegt.

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